Untröstliches Sehnen
Angesichts eines Menschenbildes, das sich am eigenen Ego, einem ungehemmten Konsum, der Rücksichtslosigkeit gegenüber der Umwelt und einem Machbarkeitswahn orientiert, und in dem sich der Mensch als „deus homo“ generiert, scheint der Begriff der Demut unmodern und wenig zeitgemäß zu sein. Demut, Bescheidenheit, Zurückhaltung sind keine sehr beliebten Haltungen. Umso wichtiger, dass Papst Franziskus in der Enzyklika „Laudato si“ für eine „gesunde Demut“ und eine „zufriedene Genügsamkeit“ wirbt und viele Christen auch danach leben.
Das öffentliche Bild über die römisch-katholische Kirche allerdings lässt Zweifel zu, inwieweit die Kirche selbst als eine dienende Kirche wahrgenommen wird. Anspruch und Wirklichkeit klaffen hier teilweise auseinander. Denn die Kirche als Institution schafft es nicht auf ihre Probleme – wie Missbrauchsskandale, Priestermangel und Zölibat, Priesteramt für Frauen, Sexualmoral, zunehmende Kirchenaustritte, Maria 2.0 etc. – Antworten zu geben, die die Menschen befriedigen. Und: Die Kirche stellt keine Fragen mehr und ihre Dogmen und Lehrsätze lassen offen, worauf sie Antworten sein wollten. Ein dickes Fell, das die Probleme aussitzt, ist das Schlechteste für Demut, denn die schützt vor der Wahrheit.
Deshalb ist das Bild im wahrsten Sinne des Wortes „menschenleer“ und der Klerus auf dem Bild symbolisch ohne Kopf dargestellt. Die Kirche vermag die Schönheit der Rituale, wie z.B. eine Prozession an Christi Himmelfahrt oder Fronleichnam, einen goldenen Baldachin oder die priesterlichen Gewänder nicht mehr adäquat zu erklären bzw. zu übersetzen. Die Riten bleiben für viele ohne Sinn und nur der Klerus läuft der Prozession voran in einer jahrhundertealten Tradition, die das gestern noch kennt, das morgen aber nicht erkennt. Und trotzdem spiegelt sich im Himmel, der immerhin die Hälfe der Bildfläche einnimmt, in hoffnungsvollen, hellen Farben das untröstliche Sehnen nach einer Kirche, die aus der Kraft und dem Geist Gottes lebt, wider.
(Sonja Krause, 2021)